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Klick, klick.
Immer wieder. Es scheint, als ob jedes einzelne Klicken des Fotoapparates wie eine Seifenblase durch den Raum schwebt.
Und das nur weil Sie wieder da ist, weil das das Geklicke ihres Apparates ist.
Ohne lebhaft zu sein, bringt sie Bewegung in die Wohnung, wenn ich das Frühstück mache, während sie noch ungeduscht und noch pyjamawarm abfilmt, wie das Messer sich durch die gespannte Haut und das saftige Fleisch einer Frühlingstomate quält.
Manchmal glaube ich, sie benutzt den kleinen schwarzen Foto- Kasten einzig dazu sich ein bisschen Aufschub zu verschaffen. Die Züge ihres Gesichtes sind immer auf dem Sprung. Man kann sich nie ganz sicher sein, ob sie im nächsten Moment lächeln oder vielleicht doch weinen wird.
Klick.
Ich greife nach den Brötchen und schon sind ihre hellen blauen Augen wieder hinter dem Apparat verschwunden.
Wie frech sie ihre Sittsamkeit vor sich herträgt, geziert eine Weintraube zwischen ihren schmalen Lippen versenkt und gelassen an ihren eigenen Ansprüchen von Selbstsicherheit scheitert.
Bürgerkind.
Eine ganze Serie von Bildern bannt sich auf den Film, klickt mir hinterher, als ich das Tablett mit dem Frühstück zum Tisch trage.
Ich ertrage es gelassen zum Motiv gemacht zu werden. Wo ich doch für Sie, sonst immer gerade kein Motiv gewesen bin. Sie sucht junge Motive. Nicht solche alten starren Gebilde wie mich, an so einem Morgen.
Ich werde vom Sucher verfolgt.
Sie verfolgt mich. Immer im Abstand von ungefähr einem Meter fünfzig.
Eigentlich verfolgt sie mich genau so, wenn sie nicht da ist.
Wenn sie nicht da ist, kann ich von ihr träumen, kann ich sie mir denken, kann ich mich verlieren, in ihren Bewegungen, in ihren Augen, in ihrer kleinen Strähne, die als Flüchtling aus dem nach hinten gebundenen dunklem Haar vorwitzig kontrolliert, was vorne passiert.
Wenn Sie da ist, merke ich, dass es besser ist ihr einfach nur zu zuschauen, an nichts zu denken und nichts zu wollen.
Ihr macht es Freude, zu wissen, dass ich ihre gelegentlichen Besuche genieße. Sie genießt es, sich als großes Geschenk zu fühlen.
Glückskind.
Zwischen Orangensaft und frischen Eiern steht jetzt die Kamera, dort wo eben noch der Nuss-Nougatbecher gestanden hat, dort steht jetzt ihre Kamera.
Zeit verliert ihren Sinn, wenn ich mich im Anblick ihrer etwas zu langen Finger verliere, die die Kamera mit einer blinden Sicherheit bedienen ohne dabei die Spur einer dumpfen Routine zu hinterlassen.
Mit angewinkelten Beinen sitzt sie mir gegenüber und löffelt die Nuss-Nougat-Creme.
Ein wenig davon bleibt in ihrem rechten Mundwinkel hängen. Auch das holt sie nur ein kleines Stück auf diese Erde zurück.
Ich merke, wie ich ihr raten möchte mehr auf ihre Ernährung zu achten, dass sie mager aussieht, aber ich lasse es, weil das zu weit ginge.
Es lässt mein Herz tatsächlich ein bisschen hüpfen, wenn sie, wie ein kleines Kind, von ihren neuen Plänen und Projekten plappert, sich ihrer Gnade des Zu-Besuch-Seins mir gegenüber voll bewusst ist.
Es ist Glück, wenn sich das Sonnenlicht im Blau ihrer Augen bricht, und zwei alte Freunde, den Rest der Welt außen vor lassen, Sie sich aufrichtet und eine gewichtige Miene ihre Grübchen umspielt, wenn sie aussieht wie ein achtjähriges Mädchen, das ihrem Papa ein Geheimnis verraten will, mit Nougat-creme im Mundwinkel.
Mehr als jeder schale One-night-stand geben solchen Momente mit ihr, meiner Sehnsucht ein wenig Ruhe.
Beide lehnen wir uns auf unsere Unterarme und beugen uns über dem Tisch entgegen, lächeln uns an, lachen verschmitzt, schweigen ein wenig und lachen noch mal, ohne richtigen Grund.
Sie hat den Becher wieder mit der Kamera vertauscht und verschafft sich hinter dem Apparat wieder mal einen kleinen Aufschub. Das Klicken des Auslösers klingt verlegen.
Ein, zwei dreimal.
Ausgelöffeltes Ei, Marmeladenfleck auf Silbermesser und Staub auf der Kommode. Sie blickt vorsichtig über den Rand des Apparates, setzt ihn dann plötzlich entschlossen vor sich ab, lächelt kurz mit schamvoll geziertem Blick auf den Krümelrand meines Tellers und fragt mich geradeheraus, ob ich ihr ein Kind machen könnte.
Würde ich meinen Blick ein bisschen senken, würde ich bemerken, wie sich meine Falten an den Augen und die grauen Strähnen, zwischen den Marmeladenflecken auf der Schneide des Messers spiegeln.
Aber ich senke den Blick nicht. Ich sehe Sie verdutzt an. „Wenn ich Dir ein Kind mache, dann müssten wir miteinander schlafen und dass will ich nicht. Ich will nicht, dass du weißt, wie ich im Bett bin.“ Wieder verschwindet sie hinter der Kamera, aber es macht nicht klick.
Ich kann Sie mir einfach nicht beim Windeln wechseln vorstellen dafür denk ich mir sie viel zu verwoben, mit dem Unstet dieser neuen Zeit, aus der ich unwiederbringlich herauswachse. - und dann muss ich lachen,
Ich lache laut und herzhaft aber verständnisvoll, wie Väter lachen, wenn ihnen Kinder sagen, dass Sie den nächsten Urlaub auf dem Mond verbringen wollen. – Aber ich habe eben laut gelacht.
Dann ist sie weg. Eine Viertelstunde später kommt Sie fertig angezogen und gestylt aus dem Bad. Holt ihre Koffer legt mir wortlos ein Foto auf den Teller, schickte mir noch ein dramatisches, verletztes Lächeln zu und verschwindet. Ich höre die Haustür zufallen und schließlich ein Taxi wegfahren.
Auf dem Foto, das sie mir auf den Tisch gelegt hat, ist Sie selber zu sehen. Gestelltes Portrait. Wesentlich mehr Frau, als Ich Sie mir je gedacht habe. Mit Edding steht auf dem Foto: „Du Arsch hast du eigentlich schon jemals was kapiert und ernstgenommen? !“
Schon vor langer Zeit hatte ich gelernt, nur mir zu vertrauen und mich nicht durch immer wieder neue Perspektiven anderer zu verwirren. Deshalb nicke ich und spreche leise, ganz für mich allein:“ Stimmt Kleines, Ich würde gern, aber ich kann dich nicht ernst nehmen. Nehme auch mich nicht ernst.“
Dann zünde ich mir eine Zigarette an.
Das Frühstück ist vorbei.
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